© DAV/Marco Kost

Gefahren im Frühwinter

06.11.2025
  • Tipps für Touren - Wandern und Skitouren
  • Interview mit DAV-Sicherheitsexperte zum Lawinenunglück an der Vertainspitze
In vielen Teilen der Alpen sind schon beachtliche Mengen Neuschnee gefallen, im Hochgebirge werden zwischen zwanzig und achtzig Zentimeter gemeldet. Weiter unten schmilzt dank milderer Temperaturen viel wieder ab, oben wird es aber wohl winterlich bleiben. Dass noch kein Lawinenlagebericht für die Ostalpen herausgegeben wird, heißt nicht, dass keine Lawinengefahr besteht! Wer jetzt noch Wandern oder schon Ski- oder Schneeschuhtouren gehen möchte, sollte diese Punkte beachten.

Skitouren im Frühwinter – Vorsicht vor Verletzungen und Lawinen

Erste größere Schneemengen sind in den Alpen bereits gefallen. Der Frühwinter hat seinen eigenen Charme – und seine eigenen Gefahren. Wer bereits im Frühwinter auf Tourenski oder Schneeschuhen die Alpen erkunden möchte, sollte einige Punkte beachten.

  • Im Frühwinter ist die Verletzungsgefahr durch nur oberflächlich zugeschneite Steine oder Weidezäune besonders groß. Am besten wählt man daher Touren, die über Wiesenhänge führen und frei von Zäunen sind.
  • Vorsicht Lawine! Sollte es noch keinen Lawinenlagebericht geben, bedeutet das nicht, dass es keine Lawinengefahr gibt. Erfahrung und Ortskenntnis sind wichtig! Informiere dich vorher ausreichend über die Lawinenlage im jeweiligen Tourengebiet (Deutschland, Österreich, Schweiz). Solange kein Lagebericht existiert, können Blogs (z.B. vom Lawinenwarndienst Bayern oder Lawinen.report) hilfreiche Infos liefern. Zu beachten ist, dass diese Blogs eher analytisch sind und daher generell etwas mehr Lawinenwissen voraussetzen. Aktuell ist erstmal von einer Neu- und Triebschneeproblematik auszugehen, später auch Gleitschnee. 

Wie wird das Wetter an deinem Bergziel? Aussichten für Alpen und Mittelgebirge: DAV-Bergwetter - ein Service für alle Bergsportler*innen

  • Im Hochgebirge sind Gletscherspalten zwar bereits zugeweht, aber noch nicht tragfähig. Spalten können daher oft nicht erkannt werden, gleichzeitig gibt es noch keine tragenden Brücken. Die Gefahr eines Spaltensturzes steigt dadurch. Gerade in den Gletscherskigebieten, die bereits im Frühwinter öffnen, ist diese Gefahr besonders groß. Zudem besteht dort ein hohes Verletzungspotenzial durch Steine und Blockwerk. In den Gletscherskigebieten sollte man sich nicht von ein paar Zentimetern Neuschnee dazu verleiten lassen, ins Off-Pisten-Gelände zu fahren.
  • Bei Skitouren gilt: lieber kürzere und einfachere Touren gehen. Gerade der Frühwinter dient in der Regel der Eingewöhnung an die Tourensaison. Wer viele Monate nicht mehr auf Ski gestanden hat, sollte sich in Ruhe wieder mit den Sportgeräten vertraut machen und sich nicht schon am Anfang zu ambitionierte Ziele stecken. Der Winter hat ja erst begonnen.
  • Viele einfache Touren findet man unter alpenvereinaktiv.com.
  • Wer kein Pro ist, sollte in nächster Zeit aber doch lieber auf Freizeitbeschäftigungen ohne Lawinenrisiko ausweichen. Als Alternativprogramm kann man sich zum Beispiel auf den Winter vorbereiten.

Zum Beispiel, indem man das Lawinenwissen auffrischt. Wer sich vor Lawinen schützen und Risikostrategien anwenden will, muss wissen, wovon die Rede ist - hier gibt es einen Überblick über die vielen Gesichter des "weißen Todes": DAV-Themenwelt Lawine

 

Wandern - Vorsicht vor Schnee und Lawinen

Auch Wandern ist im Frühwinter grundsätzlich noch möglich – aber nur mehr eingeschränkt. Diese Punkte sind wichtig:

  • Die Tage sind bereits kurz. Ein früher Aufbruch und kürzere Touren auf niedrige Gipfel bilden die Eckpfeiler der Planung.
  • Südseitige Anstiege bevorzugen: Der Schnee schmilzt am schnellsten an südseitigen Hängen ab, gleichzeitig ist es bei Sonnenschein dort noch am wärmsten.

 

  • Auf die Ausrüstung achten: Wanderschuhe mit hohem Schaft, Gamaschen und/oder eine Hardshell-Hose schützen vor Kälte und Nässe. Handschuhe und Mütze sowie eine warme Jacke sollten mindestens im Rucksack dabei sein – genauso wie eine Stirnlampe. Im Winter bietet es sich auch an, Stöcke und Grödel zu nutzen.
  • Winter-Wandern geht am besten mit Schneeschuhen.

 

Die richtige Ausrüstung

In unserem Video zeigen wir euch, wie ihr euren Rucksack für Wandertouren im Herbst oder auch Winter richtig packt.

 

DAV-Bergsportexperte Stefan Winter zu Lawinenunglück an der Vertainspitze

Am 1. November ereignete sich ein folgenschweres Lawinenunglück an der Vertainspitze (3545 m). Aus Sicht von DAV-Bergsportexperte Stefan Winter ist die Zeit zwischen Herbst und Winter für den Bergsport eine kritische: Die Bedingungen ändern sich schnell, der Unterschied zwischen den Verhältnissen im Tal und auf dem Berg sind immens, Lawinenlageberichte werden bislang nur für die Schweiz herausgegeben. Stefan Winter ordnet die Situation ein und gibt Tipps für Touren im Spätherbst und Frühwinter.

Stefan, wie sieht die aktuelle Situation in den Bergen aus?

Die aktuellen Bedingungen im Gebirge sind relativ gut, denn seit Montag, 3.11., baut sich ein Hoch auf, das bis Donnerstag hält. Das heißt, die Null-Grad-Grenze steigt an, in einer Höhe von etwa 2000 Metern herrschen aktuell null Grad. Wir haben aber auch den Neuschnee, den man berücksichtigen muss. Es liegen alpenweit in den Hochlagen, also über 2500 Metern Höhe, zwanzig bis achtzig Zentimeter Schnee. Hinzu kommt, dass das Tageslicht kürzer ist, die Hütten geschlossen sind und in der Folge die Tourenplanung einen viel höheren Stellenwert hat als bei schönem Wetter im Hochsommer.

Was hat es mit der Lawinensituation auf sich?

Wir alle haben den Unfall an der Vertainspitze mitbekommen, dort wurde ein Schneebrett ausgelöst. Die Lawinensituation ist momentan schwierig einzuschätzen, denn die Lawinenwarndienste geben noch keinen täglichen Bericht für die Ostalpen heraus. In der Schweiz schaut es anders aus, da kann man auf der Homepage vom SLF nachsehen und die dortige Situation zumindest etwas adaptieren und auf die Ostalpen übertragen. Ansonsten heißt es für Bergsteiger*innen, eigenverantwortlich vor Ort zu entscheiden, ob dort, wo ich unterwegs bin, die Gefahr besteht, eine Lawine auszulösen? Wenn ich mir unsicher bin, sollte ich dieses Gebiet komplett meiden.

Wie kann man sich darüberhinaus über die aktuellen Bedingungen informieren?

Zum einen über den Reiter "Aktuelle Bedingungen" auf alpenvereinaktiv.com. Man kann auch Webcams nutzen im Internet und sich ein Bild verschaffen, wie viel Schnee denn tatsächlich schon liegt. Oder versuchen, telefonisch jemanden vor Ort zu erreichen und nachzufragen, ob die gewünschte Tour geht oder man eben warten sollte auf besseres Wetter.

Wer jetzt im Frühwinter zum Wandern geht, braucht auf jeden Fall sehr gutes Schuhwerk, das heißt, ein Schaft muss dabei sein, ein tief eingeschnittenes Profil. Am besten hat man Gamaschen dabei, für den Fall, dass man auf Schnee trifft. Wer weiter oben unterwegs ist, sollte zur Sicherheit noch Grödel mitnehmen. Stöcke sind auch kein Fehler, um das Gleichgewicht zu unterstützen. Hinzu kommt warme Bekleidung, Mütze, Handschuhe, für die Sicherheit eine Rettungsdecke oder ein Biwaksack und eine Stirnlampe, falls man in die Dunkelheit geraten sollte. Zusätzlich sind ein geladenes Smartphone mit einer Powerbank sinnvoll.

Wo kann man aktuell noch gut zum Wandern in die Berge gehen?

Zu empfehlen sind Touren, die südseitig gelegen sind, nicht höher als die Waldgrenze gehen, vielleicht noch eine geöffnete Hütte aufweisen und kein technisch anspruchsvolles Gelände aufweisen. Je weniger Bäume auf der Tour, umso höher ist die Chance, auf trockenen Wegen unterwegs zu sein. Ansonsten muss man berücksichtigen, dass es im Wald schattig ist und der Weg oftmals nass und mit Laub bedeckt. Manchmal kann man in den Morgenstunden sogar noch auf kleine Eisplatten treffen.

Wer höher hinaus will, also über 2500 Meter und vielleicht noch einen Dreitausender ins Visier nehmen mag, muss man beachten, dass die Gletscher noch nicht komplett mit Schnee bedeckt sind. Das heißt: Es besteht Spaltensturzgefahr und man braucht alpine Erfahrung, alpine Kompetenz (Tipps zum Thema Sicherheit auf Hochtouren), also Fähigkeiten, Fertigkeiten: Wie gehe ich am Seil?, Wie nutze ich Eispickel, Steigeisen, Eisschrauben, um auch mal eine Vorsteigerin zu sichern oder einen Nachsteiger nachzuholen? etc. Wer dieses Können nicht hat, sollte in tieferen Regionen bleiben. Man muss auch bedenken, dass die Hütten schon geschlossen haben, das heißt wer auf hohe Gipfel steigen will, muss vom Tal aus starten, was entsprechend mehr Kondition und Fitness braucht. Oder übernachtet in einem Winterraum einer Alpenvereinshütte, den man dann bitte pfleglich behandelt, womit man sich die Anstiegshöhenmeter doch deutlich verkürzen und so ein Sicherheitspolster schaffen kann.